Es wird sicher niemand bestreiten, dass Musik eine intensive Wirkung auf Menschen haben kann. Musik kann uns begeistern, beruhigen, unsere Stimmung aufhellen und viele Emotionen auslösen. Wenn Musik also eine so starke Wirkung auf Menschen haben kann, wie ist es dann mit Frühchen? Hat Musik auch eine Wirkung auf Frühchen und wenn ja, welche Wirkung hat sie und welche Musik wirkt positiv?
Musik hat nachweisbar eine Wirkung auf Frühchen und auch auf Babys generell. Die richtige Musik kann nicht nur den Schlaf fördern, das Baby beruhigen oder unterhalten, eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Genf1 zeigt sogar, dass Musik die Hirnentwicklung bei Frühchen unterstützen kann.
Es ist also wissenschaftlich nachgewiesen, dass Musik eine positive Wirkung auf Frühchen oder generell auf Babys haben kann. Doch wie genau wirkt Musik auf Frühchen und reif geborene Babys? Und welche Art von Musik ist am besten geeignet für Frühchen? Und wo findet man passende Musik für die Entwicklung von Frühchen und Babys im Allgemeinen?
Die letzte Frage lässt sich leicht beantworten: Wir haben in Zusammenarbeit mit verschiedenen Komponisten und Musiktherapeuten einige Musikstücke produziert. Diese stellen wir auf einem eigens dafür eingerichteten YouTube-Kanal zur Verfügung. Wir würden uns natürlich freuen, wenn euch die Musik dort gefällt und ihr den Kanal abonniert. Auch Kommentare sind dort gern gesehen.
Wirkung von Musik auf Frühchen
Die Wikrung von Musik auf Frühchen wurde in den letzten Jahren oder sogar Jahrzehnten in verschiedenen Studien untersucht. Wir möchten hier einige Studien vorstellen, die besonders interessante Aspekte zeigen.
Studie des Universitätsklinikums Genf, 2019
In der Studie des Universitätsklinikums Genf1 wurde anhand von 39 Frühchen untersucht, wie sich das Vorspielen von Musik schon auf der Neo-Intensivstation auf die Hirnentwicklung von Frühchen auswirkt. Die Frühchen bekamen 3 mal täglich einen Kopfhörer aufgesetzt. Bei 20 der Frühchen wurde Musik über den Kopfhörer vorgespielt, bei der Kontrollgruppe von 19 Frühchen wurde keine Musik vorgespielt.
Die Resultate wurden anhand von Untersuchungen der Hirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) gemessen und mit der Hirnaktivität von reif geborenen Babys verglichen. Es zeigte sich, dass die Frühchen, bei denen keine Musik vorgespielt wurde, eine verminderte Hirnaktivität aufweisen. Bei den Frühchen, die mehrmals täglich Musik vorgespielt bekamen, war die Hirnaktivität vergleichbar mit der Hirnaktivität der reif geborenen Babys.
Die Wirkung der Musik war besonders deutlich im Salienz-Netzwerk zu sehen. Das Salienz-Netzwerk fungiert als Filter für Sinneseindrücke. Es leitet kurz gesagt die Sinneseindrücke zur Verarbeitung an den Teil des Hirns weiter, der dafür zuständig ist. Also beispielsweise visuelle Eindrücke an die Netzwerke, die visuelle Daten verarbeiten.
Aufgrund der vielen Sinneseindrücke, die auf der Neo-Intensivstation auf die Frühchen einprasseln, sind diese überfordert. Sie sind nicht so gut in der Lage zu lernen, welche Sinneseindrücke für sie wichtig sind. Bei den Babys, die Musik vorgespielt bekamen, war die Aktivität der verschiedenen Netzwerke eher normalisiert. Offenbar haben sie gelernt, die Musikstücke als Stimulus mit Bedeutung zu erlernen, so dass die Netzwerke im Hirn besser reifen konnten.
Es wurden den Frühchen je nach Tageszeit und Stimmung spezielle Musikstücke vorgespielt. Beispielsweise gab es eigene Stücke für das Aufwachen und eigene Stücke für das Einschlafen. Dass feste Rituale für Babys und insbesondere Frühchen wichtig sind, ist bekannt. Offenbar kann auch Musik als ein solches Ritual funktionieren und sich positiv auswirken.
Studie des Mount Sinai Hospital New York, 2013
In einer älteren Studie3 aus dem Jahr 2013 wurde von Wissenschaftlern des Louis Armstrong Center for Music & Medicine am Mount Sinai Hospital in New York untersucht, welche Effekte Musik auf den Schlaf, das Saugverhalten und die Sauerstoffsättigung bei Frühgeborenen hat.
Die Wissenschaftler bauten dabei auf früheren Studien auf. Diese zeigten, dass aufgenommene Musik, die Stimmen der Eltern und Wiegenlieder einen positiven Effekt auf die Sauerstoffsättigung, den Saugreflex und die Gewichtszunahme bei Frühchen haben. Die Studie konnte diese Ergebnisse bestätigen und auch zeigen, dass sogar das Geräusch der Atmung der Eltern einen ähnlichen Effekt hat. Dies könnte auch einer der Gründe sein, warum das Känguruhen sich so positiv auf Frühchen auswirkt.
Wirkung von Musik auf Babys
Musik hat aber nicht nur bei Frühchen eine positive Wirkung, auch bei ehemaligen Frühchen und reif geborenen Babys hat Musik sehr positive Effekte.
So wurde in einer Studie der University of Washington2 mit 9 Monate alten Babys herausgefunden, dass Musik die Sprachentwicklung fördert. Allein durch das Anhören von Musik – in diesem Fall Walzer – wurde schon nach 12 Sitzungen festgestellt, dass die Babys, die Musik zu hören bekamen, eine bessere Mustererkennung und ein besseres Gespür für rhythmische Muster aufwiesen. Dies sind beides wichtige Bausteine beim Erlernen von Sprache. Die Babys, die Musik hörten, hatten also eine bessere Grundausstattung für den Prozess des Sprechenlernens.
Noch besser waren die Ergebnisse, wenn Babys nicht einfach Musik zu hören bekamen, sondern selbst in das Musizieren einbezogen wurden. Ob durch Vorsingen, Schlagen auf eine Trommel oder Schütteln eines Tambourins, der Effekt war, dass sich die Hirnareale besser entwickelten, die auch für das Sprechen zuständig sind.
Auch die UNICEF sagt, dass Musik verschiedene positive Effekte auf die Entwicklung von Babys hat. Dies gilt auch bereits während der Schwangerschaft. Die Effekte, welche die UNICEF erwähnt, liegen in den Bereichen Sprachentwicklung, Lesekompetenz, Entspannung und Beruhigung des Babys, Entwickeln einer Einschlafroutine, Reduzierung des Herzschlags und konstanteres, ruhigeres Atmen.
Welche Musik wirkt sich positiv auf Frühchen aus?
Grundsätzlich ist es so, dass Routinen und Wiederholungen wichtige Anker für Babys und insbesondere für Frühchen sind. Daher ist es wichtig, beispielsweise für die Schlafroutine ein festes Musikstück auszuwählen. Dies ermöglicht es dem Babys, das Musikstück zu erlernen und immer wieder zu erkennen. Solche Routinen geben dem Baby Halt.
Bei der Art der Musik sollte man auf ruhigere, entspannende Klänge achten. Auch sich wiederholende Muster in der Musik sind hilfreich, aus den oben genannten Gründen. Der Experte der UNICEF empfieht typische Wiegenlieder, also Xylophon-Klänge und generell relaxende, sanfte und sich wiederholende Musik.
In der oben erwähnten Studie des Universitätsklinikums Genf wurde auch mit verschiedenen Instrumenten experimentiert. Dabei zeigte sich, dass Harfenmusik und Flötenmusik besonders gute Ergebnisse erzielten.
Insgesamt kann man also sagen, dass die Musik an sich eher sanft und ruhig sein sollte. Dies spiegelt sich auch in den bevorzugten Instrumenten wieder. Es sind eher die Instrumente, die einen wohlklingenden Klang haben, die einen guten Effekt erzielen.
Verzerrte Gitarren und harter, stampfender Elektro sind bei Babys also eher fehl am Platz. Besser ist es, Musik im Stil von Wiegenliedern, ruhige klassische Musik und relaxende Meditationsmusik vorzuspielen. Oder man singt den Babys selbst etwas vor. Die Stimmen der Eltern sind den Babys bekannt und beruhigen sie zusätzlich.
Musik für Frühchen bei YouTube
Aufgrund der heilsamen Wirkung, aber auch weil wir bei unseren Babys selbst festgestellt haben, dass entspannende und meditative Musik eine beruhigende Wirkung hat und Spieluhrmusik dabei hilft, einzuschlafen, haben wir auch einen YouTube-Kanal erstellt, über den wir Musik für Frühchen und Babys allgemein und auch zur Entspannung für uns Eltern veröffentlichen.
Unsere Musik wurde vom indischen Komponisten und Musiker Ajit Deshpande und dem ceylonesischen Komponisten, Musiker und Musiktherapeuten Prabajit Tharanga komponiert und eingespielt.
Wir würden uns freuen, wenn ihr mal beim YouTube-Kanal reinhört und ihn auch abonniert, wenn euch die Musik gefällt.
Fußnoten
1 Lara Lordier et al., Music in premature infants enhances high-level cognitive brain networks, PNAS June 11, 2019 116 (24) 12103-12108, doi:10.1073/pnas.1817536116 (2019)
2 T. Christina Zhao und Patricia K. Kuhl, Musical intervention enhances infants’ neural processing of temporal structure in music and speech, PNAS May 10, 2016 113 (19) 5212-5217, doi:10.1073/pnas.1603984113 (2016)
3 Joanne Loewi et al., The Effects of Music Therapy on Vital Signs, Feeding, and Sleep in Premature Infants, Pediatrics, 2013 131 902, doi:10.1542/peds.2012-1367