Frühchengeschichte: Delian, 28 SSW + 1

Unsere heutige Frühchengeschichte handelt von Delian, der am 26.10.2020 mit 1210 g in der 28 SSW + 1 zur Welt kam.

Bei vielen Hiobsbotschaften, die er und seine Eltern zu verkraften hatten, konnte er immer wieder zeigen, wie stark er ist und wie gut er kämpfen kann. Und kämpfen musste er wirklich.


Der Held dieser Geschichte

Name
*
🗓

Delian
26.10.2020
28 SSW + 1
39 cm
1210 g


Hallo, mein Name ist Lucie und ich bin die Mama von meinem drittgeborenen Sohn Delian. Er ist ein Frühchen, geboren mit 28 SSW + 1 und hatte es in seinem bisherigen Leben nie leicht. Aber fangen wir ganz vorne am Anfang an…

Die Schwangerschaft

Im Mai 2020 war der Schwangerschaftstest positiv, noch vor dem möglichen Einsetzen meiner Regelblutung.

Aufgrund von Stress, so dachte ich, bekam ich in der 6. SSW zum ersten Mal Blutungen. Ich war anschließend Dauergast bei meiner Frauenärztin, die aber außer einem kleinen Hämatom nichts außergewöhnliches feststellen konnte.

Delian entwickelte sich während der Schwangerschaft weiterhin prächtig und hielt sich tapfer fest. Die Wochen vergingen und ich blutete immer wieder regelstark.

Jede Blutung musste kontrolliert werden, also musste ich im Schnitt 2 – 3 mal wöchentlich zum Arzt. Eine Einweisung ins Krankenhaus hatte ich immer überall dabei.

Bei zwei Krankenhausaufenthalten habe ich mich selbst entlassen, da man für mich und mein Baby eh nichts tun konnte. Das Ausruhen klappte auch zu Hause. Im September 2020, bei 22 SSW + 1, kam dann der Schock.

Eine Sturzblutung brachte mich mit Rettungswagen und Blaulicht ins Krankenhaus mit einem Verdacht auf Plazentalösung. Es war aber “nur” das Hämatom, welches mit voller Wucht abgeblutet war.

Die Ärzte sagten gleich, dass ich nicht mehr schwanger das Krankenhaus verlassen werde und so musste ich meine Familie zu Hause zurücklassen und stationär dort bleiben.

Besuch war nur bedingt möglich. Bei akuter Blutung musste ich Bettruhe halten. Wenn es mal ruhiger war, durfte ich mit dem Rollstuhl vor die Tür, denn Gäste waren aufgrund von Corona nicht mehr erlaubt. Ich fristete mein Dasein und hielt aber tapfer durch.

Mental ging es mir anfangs sehr schlecht, zum einen aus Sorge, zum anderen aber auch aus Heimweh. Aber wir wussten alle, wofür wir kämpften.

Mit Anfang der 25. Schwangerschaftswoche, also bei 24 SSW + 0, bekam ich die erste Lungenreifespritze aufgrund von unserem instabilen Gesamtzustand.

Ich blutete regelmäßig weiter und war auch oft im Kreißsaal zur stundenlangen Überwachung. Mein Gebärmutterhals verkürzte sich auf nur noch 1,1 cm. Ich bekam Wehenhemmer und die Lage entspannte sich wieder. Er blieb trotzdem verkürzt mit Trichterbildung.

Im Oktober 2020, bei 28 SSW + 0, kam dann nachts eine erneute Blutung, die unsere letzte sein sollte. Was ich aber zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste.

Es bildete sich durch die Blutung ein neues Hämatom, welches die Plazenta mittig ablöste. Das Hämatom wuchs und die Herztöne von Delian wurden schlechter. Es blieb nur noch ein Notkaiserschnitt.

Die Geburt

Delian schrie, als er auf die Welt kam und ich hatte Hoffnung, dass alles gut werden würde. Als ich in meinem Bett drei Stunden später zu ihm durfte, war er allerdings bereits intubiert. Er hatte sich zu schnell erschöpft.

An seinem dritten Lebenstag, nach einem Extubationsversuch, hatte er eine schwere Hirnblutung links und eine leichte rechts. Sein Leben hing am seidenen Faden. Die Ärzte sagten, dass er kämpfen muss und nur er jetzt entscheidet, ob er leben möchte. Meine Welt brach nach dieser Nachricht zusammen.

Delian brauchte anfangs viel Unterstützung

Er wuppte aber die kritische Zeit danach und stabilisierte sich allmählich. Niemand konnte uns jedoch sagen, was das alles für seine Zukunft bedeutete.

Weitere fünf Tage war er intubiert und sediert. Noch dazu kam, dass sich der Ductus arteriosus nicht verschlossen hatte und auch die medikamentöse Behandlung, um ihn zu schließen, nicht anschlug.

Es gab keinen Tag, an dem ich nicht an seinem Bett saß und für ihn da war. 60 Tage waren wir insgesamt auf der Intensivstation, da er von seiner Atemhilfe nur schwer weg kam. Er hatte die ganze Zeit über ein ausgeprägtes Bradykardie-/Apnoesyndrom.

Delian darf nach Hause

16 weitere Tage waren wir auf der Päppelstation und bei einem Alter von 38 SSW + 6 durften wir mit Koffein und Überwachungsmonitor die Klinik verlassen. 76 Tage Krankenhaus lagen nun hinter uns und wir konnten nicht glücklicher sein.

Ich stillte endlich voll, er machte sich wirklich toll, begann zu lachen und wir waren so stolz. Unsere tolle Blase, in der wir uns befanden, platzte dann im Mai 2021. Die Diagnose: Epilepsie, West-Syndrom.

Es folgten vier weitere Wochen Krankenhaus, um die Medikamente einzustellen. Die Zeit war der Horror.

Delian verlor sein Lachen, er schlief nicht mehr, verlernte vieles und war total wesensverändert. Mit Absetzen der Medikamente kam mein alter Delian aber wieder zurück.

Leider konnte seine Epilepsie aber nicht gut eingestellt werden und wir wurden in ein 500 km entferntes Epilepsiezentrum verwiesen. Aber dazu später mehr.

Vorher waren wir noch regelmäßig wegen Lungenentzündungen im Krankenhaus, bis wir schließlich mit allem Nötigen zu Hause versorgt wurden.

So haben wir noch immer ein Highflow-Gerät da, einen Sauerstofftank, einen Monitor und alles, was man für eine vernünftige Überwachung zu Hause halt so benötigt. Im September 2021 waren wir dann zum ersten Mal zur Diagnostik im Bielefelder Epilepsiezentrum.

Dort erklärte man uns, Delians einzige Chance auf Entwicklung sei die Abtrennung der geschädigten epileptischen Hirnhälfte. Das bedeutete einen schweren, stundenlangen neurochirurgischen Eingriff.

Dazu musste er aber noch um einiges wachsen, denn er war dafür noch zu klein und die Operation zu dem Zeitpunkt zu riskant.

Im Oktober hatte er, trotz Prophylaxe, den RS-Virus. Gefürchtet bei Frühchen, aber er bekämpfte den Virus einigermaßen gut und wir mussten nicht ins Krankenhaus. Wir hatten ja alles daheim.

Wir haben auch einige Bronchitiden überstanden mit bis zu 8 l Sauerstoff pro Minute. Im Dezember 2021 waren wir dann erneut in Bielefeld für das letzte MRT vor der großen OP.

Delian wird operiert

Im Februar 2022 war es dann endlich soweit und Delian wurde 9 Stunden am offenen Hirn operiert. Er erholte sich rasend schnell nach der Operation. Wir sind so unendlich stolz auf den kleinen Kämpfer.

Delian nach seiner Operation

Die Wochen danach waren gezeichnet von Appetitlosigkeit und Nahrungsverweigerung. Keiner wusste, was ihm fehlte. Er nahm immer weiter ab. Hatte er seinen ersten Entwicklungsschub in seinem Leben? Waren es die Zähne, die sprießten?

Er begann sich endlich zu drehen und er machte auch andere Entwicklungsfortschritte. Wir waren so stolz und voller Zuversicht, bis sich wieder etwas Neues auftat.

Seine Schädeldecke, die kurzzeitig für die OP entnommen wurde, hob sich von seinem restlichen Schädel ab und es entstand eine riesige Stufe an seiner Kopfseite.

Diagnose: Hydrocephalus, also Wasserkopf. Im Mai, genau 3 Monate nach seiner ersten Hirn-OP, war er erneut im Operationssaal, um einen Shunt implantiert zu bekommen. Der absolute Horror für mich, aber auch das schaffte er mit links.

Delian heute

Heute geht es Delian soweit gut. Er entwickelt sich, wenn auch sehr langsam. Er hat den Pflegegrad 4 und einen Schwerbehindertenausweis mit 70% und Merkzeichen H. Eine neue Berechnung steht aber noch aus.

Zu seinen Diagnosen gehören infantile Cerebralparese, spastische Hemiparese rechts armbetont, Apnoesyndrom, globale Entwicklungsverzögerung, Strabismus, Nystagmus, Muskelhypotonie, Epilepsie und Hydrocephalus.

Ganz schön viel für so ein junges Kind!

Delian mit Erinnerungsstücken aus der ersten Zeit

Er ist Stand Juni 2022 schon 20 Monate alt und auf dem Entwicklungsstand von circa 6 Monaten. Er ist das fröhlichste, genügsamste Baby, was ich jemals gesehen habe und verzaubert alle mit seiner offenen Art. Niemals hat er aufgegeben und sich durch all den Mist durch gekämpft.

Wir können nicht in Worte fassen, wie stolz wir auf ihn sind, dass er nie die Kraft verloren hat, weiterzumachen.

In eigener Sache

Wir hatten das Glück, dass es zu der Zeit, als wir unsere Frühchen bekommen haben, noch weitere Frühchen auf der Neonatologie gab. So sind wir in Kontakt mit anderen Eltern gekommen, konnten uns austauschen und tun dies auch heute noch.

Es ist nicht nur für die Eltern selbst hilfreich, sich mit anderen Eltern auszutauschen, die ihre Sorgen und Nöte nachvollziehen können. Es hilft auch zu lernen, dass man nicht allein ist.

Falls ihr also selbst Frühcheneltern seid und eure Geschichte teilen möchtet, um damit vielleicht anderen Eltern zu helfen – oder euch die Sorgen von der Seele zu reden, kontaktiert uns sehr gerne.

Und falls ihr selbst ehemalige Frühchen seid und uns eure Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnisse schildern möchtet, freuen wir uns ebenso sehr.

Wir freuen uns über jede Frühchengeschichte, die wir mit der Welt teilen können! Egal, ob aus Sicht der Eltern oder aus der Sicht des ehemaligen Frühchens erzählt.

Ihr müsst dazu auch kein großes schriftstellerisches Talent haben. Wir helfen euch gerne dabei, eure Geschichte so zu erzählen, wie ihr sie erzählen möchtet.

Und es ist auch kein Problem, mit Pseudonymen zu arbeiten, wenn ihr die echten Namen nicht verwenden möchtet.

Auch über Fotos müsst ihr euch keine Gedanken machen. Wir können eure Fotos so anonymisieren, dass ihr und eure Kinder darauf nicht zu erkennen sind. Und es ist auch gar nicht notwendig, eure Gesichter zu zeigen, wenn ihr das nicht möchtet.

Die Frühchengeschichten sprechen normalerweise für sich selbst.

Solltet ihr also Interesse haben, könnt ihr uns gerne anschreiben. Und falls ihr noch am Zweifeln seid: Es ist euch auch niemand böse, wenn ihr es euch im letzten Moment doch noch anders überlegt und eure Geschichte nicht veröffentlicht werden soll.

Die Frühchenwelt soll eine Hilfe für Frühcheneltern und auch für ehemalige Frühchen selbst sein. Das ist unser wichtigstes Anliegen und dafür betreiben wir die Seite.

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