Frühchengeschichte: Mats und Jan, 24 SSW + 2

Unsere heutige Frühchengeschichte handelt von den Zwillingen Mats und Jan, die im Jahr 2016 mit 24 SSW + 2 zur Welt kamen.

Die Helden dieser Geschichte

Name
*
🗓

Mats
16.03.2016
24 SSW + 2
33 cm
715 g

Name
*
🗓

Jan
16.03.2016
24 SSW + 2
34 cm
720 g

Hallo, ich bin Eva, die Mama von Mats und Jan. Meine Zwillingsjungs sind 2016 viel zu früh auf die Welt gekommen und darüber möchte ich heute berichten.

Die Vorgeschichte

Meine Schwangerschaft war auf Grund von Zwillingen eine Risikoschwangerschaft, verlief aber die ersten Monate komplikationsfrei – zumindest bis 22 SSW + 0. An diesem Sonntag wurde ich mit Blutungen in eine Klinik aufgenommen.

Es wurde ein Prolaps diagnostiziert und aufgrund der frühen Schwangerschaftswoche wurde ich in eine andere Klinik transportiert, die auf Mehrlings- und Frühgeburten spezialisiert ist. Bis dahin war ich noch ziemlich entspannt und nahm es einfach hin, ohne mir Sorgen zu machen. Ich hatte einfach keine Vorstellung was passieren könnte.

Bis uns die Ärzte beim Aufnahmegespräch über unsere Situation aufklärten. Sie berichteten uns über die Grauzone vor der 25. SSW. Die Überlebenswahrscheinlichkeiten und die Überlebensmöglichkeiten bei Frühchen in dieser frühen Schwangerschaftswoche… mein Mann und ich fielen in ein tiefes Loch.

Wir ließen die Tage an uns vorbei streichen. Mein Prolaps konnte auf Grund einer Infektion nicht ausreichend behandelt werden, also durfte ich nur liegen und hoffen, dass die Tage vergingen.

Ich schottete mich komplett von der Aussenwelt ab, um mich und meine Emotionen zu schützen. Ich bekam Wehenhemmer, Antibiotika, Thrombosespritzen, Betablocker, Abführmittel und so weiter. Der Blutdruck wurde zig mal am Tag kontrolliert, und auch mein Blut wurde alle 2 Tage untersucht.

Ich traute mich nicht darüber nachzudenken, wie es weiter geht. Ich fragte mich, ob es richtig ist, wenn ich Zubehör für Babys im Doppelpack besorgen würde, aber ich wusste keine Antwort, also ließ ich es einfach sein.

Die Geburt

An einem Mittwoch platzte eine der Fruchtblasen und meine beiden Jungs kamen per Notsectio auf die Welt. Sie wurden mit 24 SSW + 2 geboren. Anscheinend wirkte ich unglaublich ruhig – zumindest sagten das alle im Kreissaal zu mir. Ich wusste, ich kann jetzt nichts mehr ändern, ich kann nichts mehr tun.

Ich gab keinem an dieser Situation die Schuld, auch mir nicht. Es war, wie es war. Ich vertraute all den Schwestern, Pflegern und Ärzten um mich herum. Ich vertraute ihnen, weil sie genau wussten was jetzt richtig und wichtig ist – ich wusste es nicht.

Und das war auch okay so. Ich konnte nur hinnehmen, was passiert. Mein Halt war mein Mann. All meine Sorgen galten ihm, denn er gehörte bereits zu mir und meinem Leben. Ob die beiden Embryos in mir auch zu meinem Leben gehören würden, lag nicht in meiner Hand.

Es lief ab wie ein Film. Meine Söhne gaben keinen Ton von sich, als sie das Licht der Welt erblickten. Sie wurden direkt notversorgt und schnellstmöglich auf die Neonatalogie verlegt und an alle möglichen Geräte angeschlossen. Ich sah sie erst mehrere Stunden nach ihrer Geburt.  

Mein Bett wurde zwischen die beiden Inkubatoren gefahren. Ich konnte die beiden jedoch nicht sehen, weil mein Körper nicht so wollte wie ich: Ich konnte mich kaum bewegen.

Direkt sollte ich auch die erste Muttermilch abpumpen. Ich wusste, dass es für beide das Wichtigste ist. Aber es war einfach nicht so leicht, wie es die Hebammen erklärten. Dennoch pumpte ich, so gut ich konnte.

Mats und Jan im Krankenhaus

Als mein Mann wieder zu mir aufs Zimmer kam, brachte er mir ein Bild mit. Darauf standen die Namen unserer Söhne: Mats, 715g, 33cm und Jan, 720g, 34cm, beide geboren am 16.03.2016 mit 24 SSW + 2.

Die Fotos von ihnen sahen nicht schön aus. Sie sahen nicht so aus, wie Babys normalerweise aussehen. Sie sahen aus wie unfertige Babys, die noch nicht auf die Welt gehörten. Teilweise sahen sie blau und durchsichtig aus.

Winzig klein und doch schon so stark

Für einen der beiden sah es wochenlang nicht gut aus. Mein Erstgeborener wurde nach 3 Lebenstagen exturbiert, mein zweitgeborener nach 26 Tagen. Mit meinem Erstgeborenen konnte ich an seinem 3. Lebenstag das erste Mal kuscheln. Mein zweitgeborener Sohn war erst am 14. Lebenstag stabil genug, das er mir aufgelegt werden konnte.

Die Frage, ob wir zu viert nach Hause gehen würden, trauten wir uns nie zu stellen. Auch die Ärzte konnten keine aussagekräftige Tendenz geben. Sie taten ihr Bestes, mehr konnten sie nicht tun.

Als die Zwillinge ungefähr 6 Wochen alt waren, wurden ihre Augen gelasert, damit die Wahrscheinlichkeit einer Erblindung sich verringert. Ich habe mir nie die Frage gestellt, ob ich ein blindes Kind großziehen könnte, oder ein Kind mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen.

Auch wenn mich diese Zeit unfassbar viel Kraft gekostet hat, hat sie mich eins gelehrt: Das Leben kommt, wie es kommt, und ich kann es genau so annehmen. Ich hatte keine Angst vor dem, was kommen könnte.

Vielleicht auch, weil ich diese winzigen Babys unter all ihren Kabeln und Anschlüssen in den ersten Wochen unbewusst nicht als meine Babys angesehen habe, sondern einfach als Babys, die mich brauchen. Dennoch war meine Liebe zu ihnen unbeschreiblich groß. Immer. Jeden Tag. Durchgehend. Auch wenn ich nicht bei ihnen war.

Mats und Jan kommen nach Hause

In den 114 Tagen in der Klinik hatten meine Zwillingsjungs gute und schlechte Tage. Aber zum Glück wir durften unsere Zwillingsjungs kurz nach ihrem errechnetem Geburtstermin gesund mit nach Hause nehmen.

Die Zwillinge dürfen nach Hause

Die ersten Lebensjahre waren übersät von Kontrollterminen bei diversen Ärzten. Wir waren beim Augenarzt, beim Radiologen, beim Kardiologen, beim Neurologen und so weiter. Dazu kamen Physiotherapie, Entwicklungsbögen etc. 

Zudem beobachteten wir jede Entwicklung sehr genau, da wir nichts Auffälliges verpassen wollten. Dreimal täglich machten wir bei jedem Sohn die Vojta-Therapie, später die Therapie nach Bobath. Oft schafften wir es aber pro Kind auch kaum 3 mal pro Tag. Dennoch versuchten wir die Zeit zu Hause so gut es ging zu genießen.

Die spätere Entwicklung

Als sie 4 Jahre alt waren, hatten Mats und Jan mehrere Einheiten Ergotherapie. Einer der beiden hat aktuell wieder Ergotherapie. Der Zweitgeborene ist quasi seit der Geburt untergewichtig. Wir waren deswegen auch bereits bei einer Ernährungsberatung.

Allerdings geht es uns erst besser, seit wir einfach den Druck vom Zunehmen genommen haben. Er isst gut, relativ ausgewogen, probiert Neues und ist nach dem Essen satt. Das ist uns wichtiger als irgendwelche Zahlen.

Zudem ist beim Zweitgeborenen die Lunge immer noch unreif. Er atmet auffällig laut und es hört sich sehr angestrengt an. Hier sind wir noch in Betreuung, allerdings kann sich die Unreife auch noch verwachsen. Davon gehen wir einfach aus und hoffen darauf.

Beide haben seit einigen Wochen auch Frühförderung. Es dient dazu, um ihnen für die Schulzeit Sicherheit zu geben und Selbstvertrauen aufzubauen.

Wir haben uns gemeinsam mit den Kindern und in Rücksprache mit den jeweiligen Therapeuten und dem Kindergarten dazu entschieden, die Jungs regulär einzuschulen. Sie sind laut der Schulärztin absolut schulreif.

Mats und Jan mit ihren Ranzen

Wir gönnen ihnen aus ganzem Herzen diesen Weg und unterstützen sie einfach wo es uns möglich ist. Wir werden sehen, ob es der richtige Weg ist und sind verdammt neugierig auf das, was noch kommt.

Mats und Jan heute

Heute sind meine Zwillingsjungs Mats und Jan bereits 6 Jahre alt und sie haben sich unglaublich gut entwickelt. Sie sind absolut altersgerecht entwickelt und haben keine Defizite, die auf die extreme Frühgeburt zurückzuführen sind.

Meine Erinnerungen fangen an teilweise an sich zu verändern. Die Gedanken an die Geburt und die Zeit danach sind nicht mehr so schwer zu ertragen.

In diesem Jahr werden sie schon eingeschult. Ich bin unglaublich dankbar für diesen Weg. Dieser Weg war absolut nicht leicht – im Gegenteil – aber er hat uns gezeigt was im Leben wirklich wichtig ist.

Ich durfte meine Söhne früher kennen lernen als andere und wir haben schon so viel gemeinsam erreicht. Darauf bin ich stolz. Es wird, wie es wird – und wir lieben uns bedinngungslos. Das ist das, was wirklich zählt. 

2 Gedanken zu „Frühchengeschichte: Mats und Jan, 24 SSW + 2“

  1. Hallo, mein Name ist Liang. Meine Tochter ist letztes Jahr im Juni auf die Welt gekommen. Viel zu früh, in der 24SSW. Ich finde Deine Geschichte sehr ermutigend. Ich würde mich freuen, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen.

    Liebe Grüße,
    Liang

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